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Informationen zur niederländischen Sprache und Kultur


Stand der Bearbeitung: 2.8.2007
Zuletzt bearbeitet: 30.8.007

Niederländische Bibelfliesen


Jürgen Biewend: Die Bibel an der Wand - biblische Motive auf niederländischen Wandfliesen. Aus: FLIESEN. Die nächsten Verwandten der Ofenkacheln. Ofen- und Keramikmuseum Velten 2002, S. 19-23
[Hinweis: Im Ofenmuseum Velten befindet sich eine Bibliothek zu Fliesen und Kacheln.]

Während eines Urlaubs in Ostfriesland entdeckte der Verfasser in einem Antiqutätengeschäft eine Fliese mit einer Darstellung aus der Bibel. Für den Pfarrer einer Berliner Gemeinde war das der Anfang seiner intensiven Beschäftigung mit niederländischen Fliesen im allgemeinen und der Sammelleidenschaft von biblischen Motiven auf Fliesen im besonderen. Aus seinem umfangreichen Aufsatz "Biblische Motive auf niederländischen Wandfliesen, dargestellt an den Leidens- und Auferstehungsgeschichten Jesu im Matthäusevangelium" ist der Teil, der sich mit der Ikonographie der Bibelfliesen beschäftigt, ausgewählt worden.
Eine sehr frühe biblische Darstellung auf Fliesen führt uns in die Zeit, als noch hauptsächlich im flandrischen Antwerpen Fliesen hergestellt wurden(1). Auf einem großen polychromen Tableau von 98 Fliesen (7x14) ist die Bekehrung des Paulus aus der Apostelgeschichte dargestellt. Das Fliesenbild ist 1547 in Antwerpen selbst gefertigt und befindet sich heute noch dort im Museum "Vleeshuis". Die Darstellung befindet sich auf einem Kupferstich von Enea Vico (1523-1567) nach einer Zeichnung von Frans Floris (1516-1570)(2) zurück. Von um 1550 stammt auch ein französisches Fliesentableau mit der Geschichte der Arche Noah, gut 50 Jahre später, im Jahr 1603 entstand in Haarlem ein Fliesentableau mit Bibelszenen. Die zeitliche nächsten biblischen Darstellungen auf Fliesen sind ebenfalls noch mehrfarbige Tableaus. Sie sind heute im Besitz des Rijksmuseums zu Amsterdam. Erst seit dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts gibt es neben der bereits vorhandenen Fülle von Motiven auf niederländischen Fliesen wie Landschaften, Segelschiffe, Kinderspiele, Berufe, Blumen u.a. auch die ersten Einzelfliesen mit biblischen Themen. Als Eckmotive der Bibelfliesen finden auch die üblichen Motive Verwendung: das Wan-Li-Mäander, die Ochsenköpfe, Spinnenköpfchen, burgundische Lilien u.a. Als Bildfeldbegrenzungen ist der Doppelkreis am häufigsten, die Umrahmung kann aber auch ein Achtkant oder akkoladenartig sein. Daneben wurden natürlich auch Fliesen ohne Bildfeldbegrenzung nur mit Eckmotiven dargestellt.
Diese Bibelfliesen sind nun nicht mehr mehrfarbig gemalt, sondern - beeinflußt vom chinesischen Porzellan - überwiegend in blauer Farbe, dem berühmten "Delfter Blau"(3), ein Kobaltoxid, das auf den weißen Fliesen von hell- bis dunkelblau erscheint. Daneben gab es auch Bibelfliesen in mangan, farblich zwischen violett und braun angesiedelt. Die Darstellungen der biblischen Geschichte kommen wie alle übrigen Motive der Fliesen auf einer Vielfalt von unterschiedlichen Bildbegrenzungen und Eckornamenten vor. Sie wurden in Serien hergestellt, und zu einer Serie können unterschiedlich viele Fliesen gehören, jeweils 40 bis 240 Motive. In einigen Fällen sind die Fliesen auf der Rückseite auch numeriert, wobei man das Alte vom Neuen Testament durch ein O=oud bzw. N=nieuw unterschied. An der Höhe der Zahl kann man erkennen, wie umfangreich die Serie war. Von manchen Serien sind bis heute die Spansen erhalten, das sind die Schablonen - Papierblätter mit feinen Lochungen zur Übertragung der Zeichungsumrisse. Sie helfen ebenfalls, ursprünglich zusammengehörende Serien zu bestimmen.
Die Gesamtzahl der verschiedenen biblischen Darstellungen beläuft sich auf über 500(4), wobei die alttestamentlichen etwas überwiegen; dabei stammen die meisten aus dem 1. Buch Mose. Von den Szenen aus dem Neuen Testament treten die Auferstehung, die Versuchung in der Wüste sowie Jesus und die Samariterin am Brunnen am zahlreichsten auf.
Die Herstellung von Bibelfliesen erreichte ihre Blütezeit im 18. Jahrhundert. Dies war zweifelsohne eine Auswirkung des Pietismus in den Niederlanden, jener evangelischen Strömung, die eine verinnerlichte Religiosität oder "Herzensfrömmigkeit" pflegte und die Betätigung der Frömmigkeit in den Werken, einer "praxis pietatis", betonte. In der Tat ist eine pädagogisch-didaktische Bedeutung der "Bibel an der Wand" nicht zu leugnen. "Die prächtigen Darstellungen auf Bibelfliesen haben ganz gewiß bei manchem ein deutlicheres Bild der religiösen Erzählungen gegeben, als es sich beim Lesen in der Bibel oder dem Hören der Predigt gebildet hat."(5)
Bei den rein bildlichen Bibelfliesen ist es nicht immer leicht zu erkennen, um welche Bibelstelle es sich eigentlich handelt. Besonders bei einer bestimmten Art friesischer Fliesen, meist aus Makkum vom Ende des 18. Jahrhunderts stammend, wirkt die Zeichnung sehr schematisiert, die Bäume wurden nicht mehr mit dem Pinsel gemalt, sondern mit einem Schwamm aufgedrückt - also "geschwämmelt" , auch ist nicht erkennbar, ob die Szene innerhalb oder außerhalb des Hauses spielte. Eine Besonderheit von Bibelfliesen aus Rotterdam war es hingegen, daß die Szenen, die sich in einem Raum abspielten, häufig dadurch gekennzeichnet waren, daß oben am Rand ein bleiverglastes Fenster gemalt wurde.
Neben den rein biblischen Darstellungen des 17. Jahrhunderts gibt es seit etwa 1710 Bibelfliesen mit Textstellen, die ab der Mitte des 18. Jahrhunderts dann allgemein üblich werden. Leider kommt es vor, daß häufig der Text nicht mit der biblischen Darstellung übereinstimmt. Die Gründe dafür lagen zum einen in der Unkenntnis der Maler von den einzelnen Büchern der Bibel oder auch in Übertragungsfehlern und abgenutzten Sponsen, zum anderen aber auch in Übersetzungsfehlern - die Bibelstellen sind nicht nur in niederländischer, sondern auch oft in lateinischer Form angegeben, was zu Fehlern als Stellenangabe auf der Fliese führen konnte. (Ein Beispiel: Richter = Judica = Jud, woraus dann wieder Judith werden konnte.) Die sicherste Methode, Darstellungen aus der Bibel zu erkennen, ist die Suche nach der geographischen Vorlage. Man findet sie bei den jeweiligen zeitgenössischen Künstlern. So gehen Sponsen auf Holzschnitte von Hans Holbein d. J. (1497-1543), auf Kupferstiche oder Radierungen berühmter Zeichner wie Matthäus Merian d. Ä. (1593-1650) zurück, der selbst allein 234 Kupferstiche biblischer Geschichten schuf, die noch zu seinen Lebzeiten von gewerbsmäßigen Kopisten nachgestochen und als Bilderbibel herausgebracht wurden(6). Viele dieser Stiche waren die Vorlagen für die Bibelfliesen des 17. und 18. Jahrhunderts. Einer dieser Kopisten war Pieter Hendricksz Schut (1619-1662), der 1659 die Bilderbibel "Toneel ofte Vertooch der Bybelsche Historien" (Vorführung oder Darstellung der biblischen Geschichten) mit 336 Stichen in Amsterdam herausbrachte. Über die Hälfte dieser Stiche sind für Fliesen verwendet worden, auffällig oft bei Fliesen mit Nelken als Eckmotiv. Ein anderer Künstler, dessen Radierungen wir häufig auf Fliesen finden, ist Jan Luiken (1649-1712) mit seinem 1712 in Amsterdam erschienenen Buch "De Schriftuurlyke Geschiedenissen en Gelijkenissen van het Oude en Nieuwe Verbond" (Die biblischen Geschichten und Gleichnisse des Alten und Neuen Bundes). Von den 337 Radierungen sind allein 240 für Fliesenvorlagen benutzt worden(7).
Aus Preislisten des 19. Jahrhunderts geht hervor, daß Bibelfliesen im Vergleich teuer waren, kosteten doch "Historien metaanswijsingen" (Bibelfliesen mit Textangaben) per 100 Stück 8 Gulden im Gegensatz zu 100 Landfliesen, die schon zu 2,50 Gulden oder einfache Fliesen mit zwei Figuren zwischen geschwämmelten Bäumen für 3,75 Gulden zu haben waren. Der höhere Kaufpreis ergab sich aus dem Lohnaufwand des Fliesenmalers, der bis zu 5 Gulden pro Woche verdiente. Die Kunden für Bibelfliesen in den Niederlanden selbst kamen meist aus der ländlichen Bevölkerung. Besonders die geschwämmelten "einfachen" Fliesen aus Makkum sind massenhaft für die Niederlande hergestellt, aber auch in den Hamburger Raum bis nach Vierlande exportiert worden(8). In den Niederlanden waren sie Zierde der Stuben und Wohnküchen, häufig m "Smuigers"(9) angebracht. Die in großer Zahl nach Deutschland exportierten Bibelfliesen waren in norddeutschen Häusern von Kapitänen, Kaufleuten oder reichen Bauern an der Wand hinter einem Beilegerofen (auch Beilegger genannt, ein vom Nebenraum beheizter Ofen) ebenso zu finden, wie in zahlreichen Schlössern (z.B. in der Küche des Jagdschlößchens Amalienburg in München-Nymphenburg oder in den Sommerspeisesälen der Schlösser Brühl, Caputh und Oranienbaum(10).

Anmerkungen
(1) Flandern war eines der Länder, das von italienischer Keramik beeinflußt wurde, und Antwerpen war das Zentrum der Majolikaherstellung in Flandern bis zum wirtschaftlichen Niedergang in den 60er Jahren des 16. Jahrhunderts. Dann verlagerte sich die Fliesenherstellung in die Niederlande, und in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden die Städte Rotterdam, Haarlem, Gouda, Utrecht, Amsterdam sowie in Friesland Harlingen und Makkum Zentren der Fliesenproduktion.
(2) Jan Pluis, Bibelfliesen. Münster 1994, S. 883
(3) Die sogenannten Delfter Fliesen kamen in der Regel nicht aus Delft, sondern aus den anderen Zentren der Fliesenherstellung. In Delft gab es von der Mitte des 18. Jahrhunderts an überhaupt nur noch eine Manufaktur, die Fliesen herstellte. Trotzdem hält sich der Name hartnäckig bis heute.
(4) Klaus Tiedemann gibt in seinem Katalog Biblische Geschichten in Delfter Blau, Heidelberg 1998, sogar 600 verschiedene biblische Geschichten auf Fliesen an, und Jan Pluis kam bereits 1994 auf 592 Darstellungen (319 altes Testament und 273 Neues Testament).
(5) Korf, Tegels. Bussum 1973, S. 7
(6) Tiedemann, a.a.O., S. 9ff.
(7) Ebenda S. 12
(8) Die in großer Zahl nach Norddeutschland exportierten niederländischen Fliesen wurden nach dem II.Weltkrieg wie auch die alten Kachelöfen auf den Schutt geworfen, bis in den 1960er Jahren eine neue Entwicklung einsetzte und die Fliesen wieder interessant wurden. Plötzlich fragten die Maurer: "Dröff ik de ollen Plättkes mitnemmen?" Vgl. Niederländische Wandfliesen in Nordwestdeutschland, Rasch Druckerei und Verlag, Bramsche 1984, S. 183.
(9) Smuigers - ein in den Niederlanden verbreiteter Kamintyp
(10) Die wohl wichtigste weiterführende Literatur zu Thema Bibelfliesen ist vor allem das Werk von Jan Pluis: Bibelfliesen. Erschienen im Ardey Verlag, Münster 1994

S auch:
Schloß Caputh, Erdgeschoß. Der Fliesensaal
Delfter Kacheln und mehr


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